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Expertengespräch

mit Johannes Magenheim

Der systemorientierte Ansatz
in der Fachdidaktik Informatik
Teil 4:    Notwendige technische und programmiersprachliche Kenntnisse

A. Pasternak:   Das, was du gesagt hast, kann ich ja maschinennäher und nicht maschinennäher, techniknäher und nicht techniknäher beschreiben. Wie viel, um es ernsthaft zu betreiben und dann nicht in Laberei zu verkommen, ist denn wirklich auch an technischem Verständnis, hier in diesem Fall an Programmierverständnissen notwendig, um das wirklich als eine sinnvolle Analyse aus informatischer Sicht verstehen zu können.

Also wenn du jetzt sagst, du möchtest diesen Ansatz fahren, mit was für ein Beispiel auch immer, könnte man ja in der Theorie sagen, oh Gott, wir machen jetzt die Aspekte, wo ich gar nicht programmieren können muss und ich kann da schon doch sehr sinnvoll solche technischen Informatiksysteme im gesamten soziotechnischen Umfeld betrachten, dass wir als Informatiker damit zufrieden sind.

J. Magenheim:   Also ich will mal ein Beispiel bringen, was man auch in der Sek I auf jeden Fall machen kann, auch schon in der Grundschule. Wenn du mal die Roboter anguckst, die Mindstorms oder was immer, gibt ja mittlerweile Arduino's und es muss jetzt nicht ein bestimmtes System sein. Aber bleiben wir mal bei den Mindstorms, weil wir die im Hochregallager verwendet haben.

Da kann es ganz einfache Aufgabenstellungen geben, dass der da einfach mal im Kreis fahren soll und dann möglicherweise dann auf einer bestimmten Fläche bestimmte Gegenstände erkennen und aufsammeln soll. Das ist ja so ein typisches Beispiel. Und da hast Du ja schon sehr fortgeschrittene informatische Konzepte, die wir in der Pascal-Programmierung in der Sek II noch nicht mal hatten, nämlich Parallelverarbeitung. Da hast du permanent Threads, du musst permanent die Sensoren abfragen, du musst die Aktoren entsprechend auslösen. Du hast also parallele Prozesse, die du aber ganz einfach mit diesen Block-Buildingssystemen visuell programmieren kannst. Da lernt man also so ein bisschen wie beim Alice-System aus Pittsburgh. Storytelling, Alice, wo man praktisch kontextualisiert Dinge erlernt, auch programmieren lernt, Konzepte erlernt, ohne dass man weiß, dass man sie überhaupt erst mal als theoretische Informatikbegriffe einführt.

A. Pasternak:   Wenn ich das richtig verstehe mit diesen Spielrobotern: Wenn Du es dann praktizierst und wenn du es analysieren willst, hast du ja eine programmiersprachliche Ebene.

J. Magenheim:   Du kannst das sogar unplugged machen und kannst es dann übertragen.

A. Pasternak:   Ja, das ist ja okay, dann bin ich ja sofort dafür. Wie auch immer, ob ich es hinterher mache oder vorher mache zur Hinführung. Aber wenn ich es unplugged mache und wenn ich es aber nie gesehen habe, dass das funktioniert, bleibe ich ja irgendwie dann auf halber Ebene stecken. Ich muss als Schüler ja irgendwie mal erkennen: Eh, die Gedanken, die ich gehabt habe, funktionieren auch, weil ich das technische System, was es gibt, auch mit meinen Gedanken, wenn man so will, dann schließlich füttern kann.

J. Magenheim:   Also wir hatten so eine Konzept, was wir teilweise umsetzten, als wir auf Lehrerfortbildungen waren, wo wir unplugged losgegangen sind. Also da war eine mit Lehrern, aber mit Schülern haben wir das auch gemacht. Da war der Roboter und dann waren da verschiedene Hindernisse in einem realen Feld und dann sind von außen praktisch Rufe zugegeben worden. Die Befehle, die man eingehen konnte, waren klar: Vorwärts, links, rechts drehen und einen Schritt gehen, zwei Schritte gehen und so weiter.

Man konnte also von außen per Rufe den Roboter steuern. Das war eine Fernsteuerung. So, das nächste, haben wir gesagt, ja, das soll jetzt aber nicht immer auf Zuruf erfolgen. Wir schreiben jetzt ein Programm. Da gab es also ein Programm so im Pseudocode und dann hat der Roboter das gemacht und dann hat man gesehen: Klappt das, klappt das nicht, läuft er irgendwo gegen, das war das Programm. Aber es ist immer noch unplugged.

Jetzt kommt die nächste Ebene, da hatten die Leute große Schwierigkeiten: Okay, aber wir sind diejenigen, die das Programm schreiben, wir haben die komplette Übersicht über das gesamte Szenario. Jetzt brauchen wir aber Roboter, die auf dem Mars laufen. Die Signalaufzeit ist acht Minuten. Wenn der vorm Krater steht und sagt: "Ich bin vorm Krater" und fährt weiter, weil er erst mal auf Rückmeldung von der Erde wartet, dann war es das. Wir müssen dem Autonomie verleihen. So: Wie muss denn das Programm jetzt aussehen, dass der Roboter das Programm bekommt und mit der Beschreibung, die er hat und das komplett managen kann. Das ist ein ganz anderes Programm.

A. Pasternak:   Ja, bei beiden Fällen ist das so, dass irgendwo tatsächlich was schließlich endlich als Programm vorliegt und es wird gezeigt, dass es funktioniert.

J. Magenheim:   Das ist immer noch unplugged. Da kommt der nächste Schritt. Dann gehst du nämlich in eine virtuelle Umgebung, meinetwegen RIS, wo der Roboter mit genau den Befehlen, die du hast, auf dem Bildschirm laufen lassen kannst. Und dann kommt als letzter Schritt das Programm, was da jetzt steht. Das können wir uns als Sourcecode anzeigen, das sind nicht nur solche Blöcke. Und das übertragen wir jetzt mal per Infrarot auf den Roboter, den wir hier gebaut haben, der hat die Sensoren, der weiß, was vorne und hinten ist und ob er noch einen Schritt gehen kann. Und dann fährt der Roboter mit dem Programm auf dem System.

A. Pasternak:   Ja, und damit hast du ja schon die Antwort gegeben. Im Endeffekt funktioniert es nur dann auch im Erkenntnisprozess, bei den Leuten, die nicht aus der Informatik kommen, wenn sie diese Schritte, in welcher Form auch immer, wirklich gemacht haben. Und wenn du jetzt zum Beispiel den letzten Schritt weggelassen hättest, dann würde man sagen: "Ja, war ganz nett bei der Fortbildung, aber was hat das mit Informatik zu tun?"

J. Magenheim:   Und das hat dann auch einen richtigen AHA-Effekt ausgelöst. Du willst vor allen Dingen auch Lernbarrieren reduzieren, weil Du dann siehst, dass man eigentlich solche komplexen, scheinbar komplexen Technosysteme ganz einfach erleben kann.

A. Pasternak:   Und eigentlich sind wir da genau bei dem, was ich gemacht habe, die komplexen Systeme soweit zu reduzieren, dass ich die dann mit der entsprechenden Zielgruppe machen kann.